Netlogo

Die Programmiersprache "Netlogo" wurde von Prof. Uri Wilenski speziell für die Anwendung in Schulen entwickelt und wird mit seinem Team im "Center for Connected Learning" an der Northwestern University , Chicago IL ständig erweitert und weiterentwickelt. Die Simulations- SW ist kostenlos, frei verfügbar, sowohl als Download als auch als Netz-Anwendung   https://ccl.northwestern.edu/netlogo/


Während in Deutschland zum Erlernen von Programmiersprachen und Fähigkeiten traditionell meist auf jeweils "industrie-relevante Sprachen" und gesetzt wird, gründet die pädagogische Informatik Entwicklung in USA mehr auf dem grundsätzlichen Erlernen von logischen Konstrukten und weitgehend auf dem Sprachkonzept LISP mit deren Ablegern der Sprachfamilie LOGO auf deren Grundlage Objekte spielerisch  erzeugt, vererbt, bewegt werden und miteinander und mit ihrer Umwelt interagieren können.

Die Bottom- Up Vorgehensweise auf Grundlage der, oft als deklarativ bezeichneten Sprache LOGO, ist geeignet, sowohl die Motivation von Lehrpersonal zu verbessern, sich fachübergreifend konkret mit rechnergestützten Verfahren und Simulationen auseinander zu setzen, als auch das Bedürfnis von Heranwachsenden zu befriedigen, durch eigenes Anwenden und Tun, ein Verständnis für komplizierte Zusammenhänge zu behandeln und im Rahmen gesetzter Unterrichtsziele verschiedenster Fächer zu verwenden. 

Kreative Software für kreative Lösungen

Nahezu alle komplizierten und teils komplexen Zusammenhänge in der Natur, Biologie, Physik, Chemie aber auch in sozialen Gefügen, in wirtschaftlichen Bereichen und in logistischen Bezügen, lassen sich prinzipiell mit Hilfe von agentenbasierten Modellen beschreiben und untersuchen. Die seit vielen Jahren auch im deutschen Informatik-Unterricht gelehrte Objekt-Orientierung wird innerhalb der agentenbasierten Darstellung bereits in eleganter und einfacher Weise implementiert. 

Hier wird das Zusammenwirken agierender Teilsysteme mit ihren inneren Zuständen und ihren Interaktionen mit benachbarten Teilen in ihrer Umwelt beschrieben und z.B. über einen geeignet gewählten Zeitablauf beobachtet und ausgewertet. Die agierenden Teile können Moleküle, verschiedene Tierarten in einem Habitat, Menschen, Verkehrsteilnehmer, kurz alle Agenten sein, die mit ihren Aktionen und Interaktionen das Verhalten sowohl anderer Agenten als auch damit die Entwicklung eines Systems beeinflussen können. 

Diese als "Bottom-Up" benannte Beschreibung einer System-Umwelt steht in gewissen Gegensatz, eher jedoch in Ergänzung, zur im wissenschaftlichen und industriellen Bereich gängigen "Top-Down" Beschreibung von Systemen, welche durch die quantitative Erfassung von systembeschreibenden Schlüsselparametern oft weitaus mächtigere Gesamtsysteme zum Beispiel mit Differential- Gleichungssystemen untersuchen können. 

Zum tieferen Verständnis komplizierter und komplexer Systeme sind häufig beide Ansätze hilfreich, wenn nicht notwendig. Es ist oft schwer und manchmal recht mühsam bei der Top-Down Vorgehensweise viele nichtlineare Eigenschaften der Systeme abzubilden. So wird z.B. bei realistischen Modellen, die den Verlauf einer Pandemie beschreiben ein verkoppeltes Differential-Gleichungssystem in der Top-Down Beschreibung aufwändiger, wenn etwa Inkubationszeiten und weitere nichtlineare Effekte berücksichtigt werden sollen. Mit einem Bottom-Up Modell wird dies sehr einfach durch den inneren Zustand der betreffenden infizierten Agenten beschreibbar.  


In den Vereinigten Staaten wird seit vielen Jahren mit zahlreichen Ansätzen zum Thema Digitale Bildung geforscht. Es sind hierbei eine Reihe von Anwendungen mit Hilfe zentraler politischer Unterstützung vorangebracht worden. Der überwiegende Anteil dieser US- Programme baut auf der Sprachfamilie LISP auf und verwendet verschiedene Dialekte der Sprache LOGO. Für Kinder und Jugendliche können hiermit sog. "Agenten" die sich in einer System-Umwelt bewegen und inter-agieren leicht und spielerisch programmiert werden. Beispiele: Scratch, Starlogo , CS-First

Weiter entwickelte  Vertreter dieser Sprachen erweitern dieses zentrale Konzept der "Agenten", welche mit ihren Eigenschaften und ihrem interagierenden Verhalten, sowohl naturwissenschaftliche Phänomene als auch  Probleme aus dem Bereich der "Humanities" abzubilden gestatten. Hierzu wurden für den schulischen Bereich für die Sprache NetLogo umfangreiche geeignete Libraries entwickelt, welche mit gut gestalteten - und gestaltbaren- Nutzer Schnittstellen sofort einsetzbar sind. Mit diesem Programmsystem ergibt sich die Chance auch in der Breite der Fächer, die digitale Bildung nicht nur auf Whiteboards, Tablets und die Nutzung von Medien zu beschränken, sondern proaktiv vorhandene Simulations-Programme zu nutzen, zu verändern und zu erweitern. Eine weltweite Nutzergemeinde erstellt hierzu neue NetLogo Anwendungen, welche nach Prüfung durch eine zentrale Organisation zertifiziert in die Library aufgenommen und zur Benutzung freigegeben werden.

Derartige Anwendungen können auch von Lehrern ohne jegliche Programmier-Erfahrung, ähnlich wie fertige Apps im Unterricht mit einstellbaren Parameter Variationen dargeboten werden. 

Es sollte einen Versuch wert sein, dieses Konzept, die digitale Bildung zu verbessern, im deutschen föderalen Schulsystem versuchsweise anzuwenden.

Könnte eine handreichende Aktion eines Bundes-Bildungs-Ministeriums darin bestehen, eine Übertragung dieser US Konzepte auf das zersplitterte deutsche Schulsystem zu erleichtern ?


Mit einer, auch im wissenschaftlichen Bereich verwendeten einfach zu erlernenden agentbasierten Software, kann die Sinnhaltigkeit des Erlernens einer Programmiersprache erlebt werden !



Einerseits:


Das Programmieren von Computern wird wesentliche Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts! "Wer ein Gedicht oder Prosa schreiben kann, kann auch ein Programm schreiben!" Ist dieser Rat nur überheblich und wohlfeil? Immerhin sind die drei Bildungs-Künste des Triviums, der Grammatik, der Rhetorik und der Dialektik auch die Grundlage der formal guten, der inhaltlich richtigen und der verständlichen Programmierung!


Andererseits:


Ist die Fähigkeit einen sinnfreien Text wie "Hello World" auf den Bildschirm zu zaubern, bereits Programmier-Kenntnis ? Sicher nicht. Dazu bedarf es mehr, zumal die Kunst bereits als erste Lektion jeder Programmiersprache bereits vorliegt.


Professor Michael Resch drückt in seinem Buch "Digitalwüste Deutschland" das Fazit seines Kapitels über die Bildung für die Digitalisierung so aus:

"Es wird also Zeit, die digitale Bildung in den Schulen und Lehrplänen so zu verankern, dass unsere Kinder auf das 21. Jahrhundert vorbereitet sind, dass sie in der Lage sind, sich digital auszudrücken, digitale Systeme zu verstehen und zu nutzen und dass sie sich in die Lage versetzen, digitale Systeme zu beherrschen und nicht von ihnen beherrscht zu werden. Dazu muss die Informatik dauernder und wesentlicher Bestandteil unserer schulischen Ausbildung werden. Ob als eigenständiges Fach oder integriert in benachbarte Fächer wie Mathematik oder die Naturwissenschaften ist dabei sekundär. Keine Schülerin und kein Schüler sollten unsere Schulen verlassen, ohne gelernt zu haben, mit Computern umzugehen und diese zu programmieren."

Professor Michael Resch:  Digitalwüste Deutschland, Heyne Verlag   ISBN: 978-3-453-60627-2